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Bigband-Musik in bester Tradition

Erschie­nen in SONIC 05/2005

Über die Jah­re habe ich mit vie­len pro­fes­sio­nel­len Big­bands gear­bei­tet, habe Work­shops für Schul­bands in Deutsch­land, Öster­reich, Ame­ri­ka und Aus­tra­li­en gelei­tet. Eine Big­band stach dabei beson­ders her­vor: Die Franz Kirch­ner Big-Band (FKBB), aus der klei­nen Stadt Eben­see (Nähe Gmun­den im Salz­kam­mer­gut) in Öster­reich. Das Ensem­ble begeis­ter­te von Anfang an durch sein her­vor­ra­gen­des Satz­spiel und das Band-Fee­ling. Alle Band­mit­glie­der sind lei­den­schaft­li­che Hob­by­mu­si­ker unter denen es eini­ge tol­le Solis­ten gibt.

Die Franz Kirch­ner Big-Band wur­de 1975 vom Hob­by­mu­si­ker und Elek­tri­ker Franz Kirch­ner gegrün­det. Franz befass­te sich schon immer mit Musik. Er spiel­te Posau­ne im loka­len Musik­ver­ein und übte sei­nen Mili­tär­dienst im Musik-Corp aus, bevor er zurück in sei­ne Hei­mat­stadt Eben­see ging, um dort bei der Sol­vay Öster­reich GmbH zu arbei­ten. Er spiel­te in der dor­ti­gen Werks­ka­pel­le und grün­de­te, haupt­säch­lich aus Mit­ar­bei­tern der Fir­ma Sol­vay, die Franz Kirch­ner Big-Band. Sol­vay soll­te eine wich­ti­ge Rol­le bei der Unter­stüt­zung der Big­band spie­len, indem sie Pro­be­räu­me zur Ver­fü­gung stell­te und über die Jah­re etwas finan­zi­el­le Unter­stüt­zung anbot. In der Anfangs­zeit spiel­te die Band haupt­säch­lich Swing von Woo­dy Her­man und dem Count Basie Orches­ter und Tanz­mu­sik berühm­ter Big­bands, unter ande­rem von Glenn Mil­ler, Ben­ny Good­man und Tom­my Dor­sey. Kon­zer­te run­de­ten die Tätig­keit der Band ab. Da es Franz bewusst war, dass sein eige­ner Enthu­si­as­mus für die musi­ka­li­sche Wei­ter­ent­wick­lung nicht aus­rei­chen wür­de, begann er pro­fes­sio­nel­le Musi­ker ein­zu­la­den. In den fol­gen­den Jah­ren fan­den nun regel­mä­ßig Work­shops statt. Robert Polit­zer (Solo­trom­pe­ter der ORF Big­band) und Joe Vie­ra waren die ers­ten Gäs­te, die mit der Band arbei­te­ten. Sie hal­fen dabei, die guten Tra­di­tio­nen des Ensem­ble- und Satz­spie­lens zu eta­blie­ren – was noch heu­te zu erken­nen ist.

Inner­halb von kur­zer Zeit konn­te sich die Franz Kirch­ner Big-Band als regio­na­le Top-Grup­pe eta­blie­ren. Im Jahr 1978 folg­te eine Ein­la­dung zum Jazz Fes­ti­val Burg­hau­sen. Die Band war die ein­zi­ge Ama­teur­grup­pe, wel­che im Fes­ti­val neben Jazz­le­gen­den wie Diz­zy Gil­le­spie und Lio­nel Hamp­ton spiel­te. 1979 waren sie zu Gast auf dem Inn­viert­ler Jazz­fest. Es folg­ten Auf­trit­te in Öster­reich, Deutsch­land, Ita­li­en und in Kopen­ha­gens berühm­ten Tivo­li.

Ihrem guten Finan­zie­rungs­mo­dell hat die Band es zu ver­dan­ken, dass sie einen der­art hohen spie­le­ri­schen Level erreicht hat. Durch die Regis­trie­rung als Ver­ein durf­te die Band kei­ne Gewin­ne erzie­len, und folg­lich wur­den die Ein­nah­men aus Enga­ge­ments für Inves­ti­tio­nen ver­wen­det. Zuerst für Rei­se­kos­ten, Aus­stat­tung und Uni­for­men sowie für die Akqui­si­ti­on neu­er Noten. Die jedoch wich­tigs­te Inves­ti­ti­on der Franz Kirch­ner Big-Band bestand in der Ver­an­stal­tung von Work­shops, für die nur die bes­ten inter­na­tio­na­len Musi­ker und Päd­ago­gen ein­ge­la­den wur­den. Die­se “Inves­ti­ti­on in die Zukunft” wur­de 1986 mit dem legen­dä­ren Trom­pe­ter Oskar Klein fort­ge­setzt. Er hielt einen Work­shop über Dixie­land und frü­he­re Swing­sti­le. Es folg­ten eini­ge Kon­zer­te mit Oskar Klein als Gast­so­list, mit dem Schwer­punkt auf die frü­he Geschich­te des Jazz.

Die Be-Bop Ära wur­de 1988 mit Carl Dre­wo auf­ge­führt. Schließ­lich fei­er­te die Band 1990 ihr 15-jäh­ri­ges Bestehen mit Kon­zer­ten zusam­men mit Bill Ram­sey und einem Work­shop mit dem Posau­nis­ten Rudi Josel, der als ehe­me­li­ger Solo­po­sau­nist der Wie­ner Phil­har­mo­ni­ker schon immer neben­bei Jazz aus Lei­den­schaft spielt.

Das Pro­gramm­kon­zept der Band wur­de ab 1991 aben­teu­er­li­cher und beweg­te sich weg von der Swing Ära. Die Band spiel­te die Ori­gi­nal­ver­si­on von Gershwin’s “Rhap­so­dy In Blue” und bekam einen Auf­trag von der Stadt St. Gil­gen, eine CD auf­zu­neh­men mit Musik von W. A. Mozart im Big­band-Sound. Im Jahr dar­auf trat die öster­rei­chi­sche Gesangs­grup­pe Main Street zusam­men mit der FKBB auf. Für die Kon­zert­se­rie und Work­shops lud die Band 1992 und 1994 den öster­rei­chi­schen Posau­nist und Päd­ago­gen Heinz Czadek und den ame­ri­ka­ni­schen Saxo­pho­nis­ten Robert Wil­liams ein.

Mit einem Kon­zert­jahr, in dem die Musik von Glenn Mil­ler gespielt wur­de, fand die FKBB 1995 zurück zu ihrem Ursprung. Anläss­lich ihres 20-jäh­ri­gen Bestehens wur­de eine Live-CD mit Musik der gro­ßen Big­bands auf­ge­nom­men. In die­sem Jahr wur­de die Band zu einer Kon­zert­rei­se nach Ita­li­en ein­ge­la­den und es folg­ten eini­ge Jazz­fes­ti­vals sowie ein aus­ver­kauf­tes Kon­zert in Flo­renz. Schließ­lich wur­den Per­sön­lich­kei­ten wie der Trom­pe­ter Andy Hade­rer, der Schlag­zeu­ger Bru­no Cas­te­luc­ci und der Saxo­pho­nist Heinz von Her­mann für einen erwei­ter­ten Work­shop und eine Kon­zert­tour­nee durch Süd­deutsch­land und Öster­reich ein­ge­la­den.

1998 spiel­te der am meis­ten gefrag­tes­te Lono­ner Studio‑, Jazz- und Lead-Trom­pe­ter Derek Wat­kins als Gast­so­list mit der Band und es folg­te eine Tour­nee durch Öster­reich mit Paul Kuhn und Heinz von Her­mann. Ein abso­lu­tes High­light war die Zusam­men­ar­beit mit dem ehe­ma­li­gen Duke Elling­ton Bas­sis­ten Jim­my Woo­de. Im sel­ben Jahr fuhr der Trom­pe­ter und Band­lea­der Dus­ko Goj­ko­vic nach Eben­see, um mit der Band zu arbei­ten.

Anläss­lich ihres 25-jäh­ri­gen Jubi­lä­ums nahm die Band erneut eine CD auf und hielt Work­shops und Kon­zer­te mit Step­ko Gut sowie mit der Sän­ge­rin Ines Rei­ger. Der Trend, Trom­pe­ter ein­zu­la­den, wur­de im nächs­ten Jahr mit Ack van Rooy­en fort­ge­führt. Viel­leicht ist dies einer der Grün­de, war­um die FKBB solch einen guten Trom­pe­ten­satz hat: Der regel­mä­ßi­ge Kon­takt zu Top-Musi­kern. Ein wei­te­rer Grund für den Erfolg der Band liegt an dem gro­ßen Inter­es­se von Franz Kirch­ner – wann immer es finan­zi­ell mög­lich ist – die Work­shops außer­halb von Eben­see zu ver­an­stal­ten. Nor­ma­ler­wei­se fin­den die­se in einer Musik­aka­de­mie in Ober­ös­ter­reich statt. Hier wer­den die Teil­neh­mer weni­ger abge­lenkt, was gleich­zei­tig eine Ver­bes­se­rung der Grup­pen­dy­na­mik mit sich bringt. Wenn man das Wochen­en­de mit allen Mahl­zei­ten gemein­sam ver­bringt, kann sich eine Grup­pe bes­ser ent­wi­ckeln und die Inter­ak­ti­on mit dem Work­shop-Lea­der ist auch bes­ser. Franz orga­ni­siert zudem Akti­vi­tä­ten zur Stei­ge­rung der Grup­pen­dy­na­mik, wie zum Bei­spiel gemein­sa­me Kegel­aben­de. Die Kame­rad­schaft in einer Band ist sehr wich­tig, wenn die Big­band als homo­ge­ne Grup­pe funk­tio­nie­ren soll – etwas was in vie­len pro­fes­sio­nel­len Big­bands sehr fehlt.

Die FKBB prä­sen­tier­te 2002 zwei neue Pro­gram­me: In der ers­ten Jah­res­hälf­te spiel­te die Band ein Pro­gramm mit Musik von Ben­ny Good­man und im Herbst kam die ame­ri­ka­ni­sche Gos­pel­sän­ge­rin Gail Ander­son mit ihrem Chor, um die Kon­zert­se­rie “Big­band meets Gos­pel” zu spie­len. 2003 war die Band Mit­or­ga­ni­sa­tor des ers­ten Jazz­fes­ti­vals im Salz­kam­mer­gut, wel­ches aus­schließ­lich der Big­band-Musik gewid­met war. Dort wur­de drei Tage Big­band-Musik, zusam­men mit der Fer­ry Ilg Big­band und der R.A.T. Big­band prä­sen­tiert. Die­se drei Grup­pen orga­ni­sie­ren zusam­men das “Fez­zi­val”, ein Jazz­fes­ti­val, wel­ches sich inner­halb der Hei­mat­städ­te der drei Bands bewegt. Hier haben wir ein aus­ge­zeich­ne­tes Bei­spiel dafür, wie regio­nal behei­ma­te­te Big­bands zusam­men arbei­ten bzw. etwas errei­chen kön­nen, was in die­ser Form im Allein­gang so nicht mög­lich gewe­sen wäre. Lei­der ste­hen sich zu vie­le Bands in einem Kon­kur­renz­kampf gegen­über. Beim ers­ten “Fez­zi­val” spiel­te die Franz Kirch­ner Big-Band “A Tri­bu­te to Count Basie”, mit dem ehe­ma­li­gen Schlag­zeu­ger des Count Basie Orches­tra, Dave Gib­son. Auch spiel­ten sie ein Kon­zert mit dem Star-Schlag­zeu­ger John Riley (Woo­dy Her­man, Bob Mint­zer u. a.) im Rah­men eines Schlag­zeug-Work­shops in Gmun­den.

Als ich 2004 zur FKBB stieß, spiel­te die­se gera­de Musik von Stan Ken­ton. Franz kon­tak­tier­te mich mit der Bit­te, einen Work­shop mit Musik von Stan zu orga­ni­sie­ren. Da dies genau mei­ne Sache ist, sag­te ich sofort zu. Ich erwar­te­te eine ech­te Ama­teur­band, was natür­lich kein Pro­blem dar­stellt, da ich mit vie­len Ama­teur­bands arbei­te und ich mei­ne Auf­ga­be dar­in sehe, die Pro­ble­me der jewei­li­gen Band zu erken­nen und mit die­ser gemein­sam an Lösungs­mög­lich­kei­ten zu arbei­ten. Zu sagen, dass ich über­wäl­tigt war, wäre eine Unter­trei­bung! Von der ers­ten Note an merk­te ich, dass etwas anders war bei die­ser Grup­pe. Zuerst dach­te ich, sie hät­ten ein paar pro­fes­sio­nel­le Spie­ler enga­giert, um die Band aus­zu­schmü­cken. Als ich jedoch vor­sich­tig her­um­frag­te, ent­deck­te ich, dass alle Musi­ker wirk­lich Ama­teu­re waren. Eini­ge geben neben­bei Musik­un­ter­richt oder haben gele­gent­lich pro­fes­sio­nel­le Auf­trit­te.

Es folg­te ein anstren­gen­der Tag: Ich selbst bin eher eine gesell­schafts­feind­li­che Per­son. Wenn ich acht Stun­den lang einen Work­shop gelei­tet habe, über Big­band Geschich­te, Phra­sie­rung, Timing, Into­na­ti­on und Satz­spie­len gespro­chen habe, dann möch­te ich meis­tens nur noch eine Klei­nig­keit essen und mit einem guten Buch ins Bett krie­chen. Aber Franz lies nicht nach und so wur­de ich für einen Kegel­wett­kampf in die Blech­blä­ser­grup­pe ein­ge­teilt, die gegen die Saxo­pho­nis­ten und die Rhyth­mus­grup­pe antre­ten soll­te – wir haben natür­lich gewon­nen! So lern­te ich all­mäh­lich die per­sön­li­che Sei­te der Band ken­nen, die sich neben­bei über mei­ne Toll­pat­schig­keit und man­geln­de Koor­di­na­ti­on beim Kegeln lus­tig mach­te. Die­ser Work­shop führ­te zu einer Rei­he von Kon­zer­ten, bei denen wir die Musik von Stan Ken­ton spiel­ten. Zudem konn­te ich der Band bei ihren Vor­be­rei­tun­gen zu ihrem 30-jäh­ri­gen Jubi­lä­um behilf­lich sein. Natür­lich nah­men sie erneut eine CD auf, um eini­ge die­ser Live-Kon­zer­te zu doku­men­tie­ren.

Die Band und Franz sind wei­ter­hin auf Hoch­tou­ren. Wie bereits erwähnt, begann Franz auf der Posau­ne und wech­sel­te dann vor zehn Jah­ren zum Bass. Seit­dem sitzt er auf dem Bass­stuhl. Franz wird im Okto­ber 58 Jah­re alt und die Band, die er im Alter von 28 Jah­ren gegrün­det hat, wird in die nächs­te Pha­se sei­ner Exis­tenz gehen. Die nächs­ten drei­ßig Jah­re wer­den sicher mit swin­gen­der Big­band-Musik in bes­ter Tra­di­ti­on wei­ter geführt. Hut ab für die viel­leicht bes­te Ama­teur Big­band Euro­pas!

Ed Par­ty­ka